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Autor: Simon Jacob
Ort: Chicago, USA
Format: Text
Thema: Gesellschaft
Datum: 02.02.2020
Portal: www.oannesjournalism.com
Textdauer: 5 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Von Washington nach Chicago
Hotellobby in Chicago
Von Washington nach Chicago
Eines vorweg:
Die USA sind riesig und als Europäer in den Normen europäischer Distanzen zu denken scheitert spätestens dann, wenn man glaubt, relativ einfach mit dem Auto die gigantischen Strecken, die deutschen Autobahnen im Kopf, hinter sich lassen zu können. Bleiben Flugzeug, Bahn, Bus oder, weshalb ich Verständnis für die Liebe der US Bürger für solide Vehikel aufbringen kann, eben das Auto. Und selbst das ist nicht einfach und kommt ziemlich teuer, wenn man nicht Wochen vorher eine Mietwagen bucht oder ein eigenes Fahrzeug besitzt, welches einen durch die unendliche Weite des Landes kutschiert.
Nach Chicago nahm ich, in meinem Fall, den Flieger. Noch während des Fluges wurde es politisch interessant. Neben mir saß ein Afghanistan- und Irakveteran, der auf dem Weg zu einer Einheit nach Frankfurt/Deutschland war. Sofort begann eine Unterhaltung über deutsches Bier, deutschen Weißwein und bayerische Spezialitäten. Da ich einen Vorrat "Landjäger" bei mir im Gepäck hatte (vergleiche ich immer mir Beef Jerky in den Staaten), teilte ich kameradschaftlich eine Portion mit dem US Soldaten. Und so kamen wir vom: "Du musst Trockenfleisch am besten zusätzlich trocknen lassen bis es hart wird und besonders gut schmeckt“ zu - "Warum glauben US-Bürger, jedenfalls manche, dass die USA nicht demokratisch sind".
Ok... erster Punkt, nachdem ich bereits zuvor das Wahlsystem der USA in Deutschland abgearbeitet hatte, betrifft die Verfassung der USA, die in "Germantown" das Licht der Welt erblickte. Diese ist möglichst ausbalanciert und regelt den Wahlprozess, kurz zusammengefasst, wie folgt:
Jeder Bundesstaat hat, basierend auf seine Population, eine bestimmte Anzahl sogenannter "Wahlmänner". Also Stimmen, die dann entsprechend den Republikanern bzw. Demokraten zugutekommen. Dabei folgt man dem Mehrheitsprinzip. Bedeutet, wer die jeweilige Mehrheit in einem Staat hat, sei sich noch so mager, erhält alle "Wahlmännerstimmen". Dies hat zur Folge, dass z.B. 49 % der Bevölkerung leer ausgehen, wenn 51% in einem Staat die Wahl für sich entscheiden. Dies führt aufgrund der Population in den jeweiligen Staaten unter Umständen dazu, wie beispielsweise bei den Wahlen 2016 zwischen Clinton und Trump passiert, dass das Clinton-Lager zwar 3 Millionen Stimmen mehr hatte, aber das Trump-Lager dennoch gewann, da die Republikaner mehr "Wahlmänner" hinter sich vereinen konnten.
Genau diese Diskrepanz empfinden manche Amerikaner als undemokratisch, wie ich verstanden habe. Deswegen möchten die Demokraten das System ändern. Auf der anderen Seite, auch diese Frage musste ich stellen, wollte ich wissen, ob es umgekehrt denn anders wäre. Republikaner wie auch Demokraten unterliegen den gleichen Regeln. Sie wurden einst durch die Verfassung festgelegt. Die Fairness gegenüber Staaten mit einer geringeren Bevölkerung sollte dadurch gewährleistet werden. Persönlich sehe ich nichts Undemokratisches darin. Bill Clinton wie auch Obama gewannen ihre Wahlen nach dem gleichen Prinzip. Dennoch sollte ich weitere Gespräche darüber führen, die mir dabei halfen, ein besseres Verständnis für die historische Entwicklung des US-Wahlsystems zu erlangen. Tatsächlich ist es so, dass man nach dem Ende des letzten Krieges auf US Boden, als sich Nord- und Südstaaten bekämpfen und schlussendlich die Südstaaten die Verlierer waren, was wiederum das Ende der Sklaverei einläutete, die Besiegten in der Union halten wollte. Aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte im Süden der USA führte man als Kompromiss das System mit den Wahlmännern ein, welches in seiner Art einzigartig ist und so überzeugte man die Bundesstaaten im Süden davon, in der Union zu bleiben.
Vom Wahlsystem gingen wir zu anderen Themen über und der Fokus lag nun auf den Ereignissen im Nahen Osten. Der Iran war hierbei von besonderem Interesse. Beide stimmten wir darin überein, dass man sich mehr mit der vielschichtigen Zivilgesellschaft beschäftigen muss, die äußert heterogen ist und nicht als einheitlicher Block betrachtet werden kann. Dies ist übrigens, wie ich meine, in allen Regionen dieser Welt der Fall. Man müsste schon in einem ziemlich kleinen Dorf leben, um keine Diversität in Religion, Kultur und Gesinnung feststellen zu können. Nun gingen wir über zur europäischen Verteidigungspolitik, die sich definitiv verändern muss, was mehr europäische Verantwortung bedeutet, und endeten schlussendlich bei der Frisur von Donald Trump.
Und ehrlich, die Frisur des Präsidenten scheint in den USA ein vieldiskutiertes Thema zu sein. So entstand die Idee, sollte ich ihn zufällig treffen, ihn darum zu bitten, mir ein paar Haarsträhnen zu überlassen. Zurück in Deutschland würde ich sie über eBay versteigern und den Ertrag einem guten Zweck spenden, sofern ich nicht verklagt werden sollte. Doch lasse ich das, bei meiner Reisehistorie, lieber sein. Ich möchte keine unangenehmen Fragen, in einer Arrestzelle sitzend, beantworten müssen.
Lieber genieße ich die Atmosphäre im Aufenthaltsraum meines Chicagoer Hotels, welches einen ungemein nostalgischen Charme aus den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts aufweist und mich an alte Gangsterfilme aus Hollywood erinnert. Nur mit dem Unterschied, dass moderne Gangster heutzutage politisch hervorragend vernetzt sind, sich aller legalen Rechtsmittel bedienen, illegale nur dann anwenden, wenn sie sicher sind nicht entdeckt zu werden und darüber hinaus über ein IT - Infrastruktur verfügen, welche, flankiert von adretten Anwälten und tollen Algorithmen, ein Vermögen kostet. Gangster sind eben nicht mehr Al Capone und Chicago ist nicht mehr der Hotspot wilder Schießereien. Konflikte erledigt man lieber digital und mein Hotel ist eben nur eine Erinnerung an eine alte Zeit… Ein Zeit, in der es noch waschechte „Gangster“ gab und unbestechliche „Staatsdiener“, die Hollywood so manche Vorlage lieferten.
An meine Debatte mit dem Soldaten im Flugzeug, der ein bisschen Deutsch sprach und zufällig neben mir saß, denkend, trinke ich meinen Kaffee in dieser wunderbar nostalgischen Lobbyatmosphäre des Hotels, um mich dann dem schneidenden und verdammt kalten Wind dieser gigantischen Stadt auszusetzen, um endlich wieder meine Freundin und Verlobte zu sehen, mit der ich ein bisschen die Sehenswürdigkeiten hier erkunden möchte.
Stay tuned,
Euer Simon
Chicago, 02. Februar 2020
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