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Fachtag Mut´a Ehe - Illusion oder Realität?
Der Caritasverband Wuppertal/Solingen, der aufgrund der Flüchtlingsströme seine sozialen Aktivitäten zunehmend auf diesen Bereich ausweitet, lud am 12. 07. 2019 in das Internationale Begegnungszentrum in Wuppertal, um sich mit einem schiitisch – muslimisch spezifischen Thema zu befassen: der „Mut´a Ehe“, die auch als „Ehe auf Zeit“ bezeichnet wird. Diese Form der temporären Eheschließung, von einem Religionsgelehrten vollzogen, kann eine Dauer von ein paar Stunden bis zu mehreren Jahren haben. Diese besonders im schiitisch geprägten Iran vollzogene Partnerschaft wird von manchem als legale Prostitution bezeichnet. Andere wiederum, besonders schiitische Gelehrte, betrachten die „Ehe auf Zeit“ als Schutz für die Frau - denn während der Zeit des temporären Ehelebens hat der Ehepartner, der gleichzeitig auch Freier ist, Pflichten zu erfüllen. Kommt es z.B. zu einer Schwangerschaft, hat der Ehepartner/Freier die Pflicht, auch für dieses Kind zu sorgen. Doch steht bei dieser schiitischen Form der Eheschließung, zumindest wenn diese nur für ein paar Stunden gilt, der sexuelle Akt im Mittelpunkt. Entsprechend betrachten viele, unter ihnen sunnitische Muslime, die auf Zeit ausgelegte „Ehe“ als nichts anderes als eine Form der Prostitution, verglichen mit einem Straßenstrich in Berlin. So jedenfalls die Meinung zweier Redner, die sich besonders in diesem Punkt einig waren, doch auf anderen Ebenen differierten.
Den Auftakt machte der Theologe Dr. Ali Can, der das Thema aus dem Blickwinkel der Religion, in diesem Fall der erkennbar sunnitischen Betrachtungsweise, beleuchtete. Seiner Auffassung nach ist die „Ehe auf Zeit“ ein gesellschaftliches Thema, welches, religiös verpackt, die Frau zu einem Gegenstand degradiert und sie ausbeutet. „Die Religion, im Blickwinkel der modernen Anpassung, kann dem entgegenwirken“, so der anerkannte Theologe, welcher sich intensiv mit dem Thema, besonders im Zusammenhang mit historischen Ereignissen, auseinandergesetzt hat.
Dem stand, wenn es um die religiöse Komponente ging, der Vortrag der bundesweit bekannten Soziologin, Publizistin und Feministin Dr. Necla Kelek, entgegen. Besonders in der religiösen Argumentation, angefangen beim Zwang zum Kopftuchtragen bei jungen Mädchen bis hin zum dominierenden Machtfaktor des Mannes in der islamischen Theologie, folgte Frau Kelek einer anderen Auffassung als Dr. Ali Can.
Fairerweise muss gesagt werden, dass dieser das Thema rein aus der theologischen Sichtweise erläuterte, während die Soziologin das Thema der Fachtagung aus dem gesellschaftlichen Kontext heraus schilderte.
Dennoch waren sich beide in einer sehr freundschaftlichen, ausgewogenen und offenen Atmosphäre einig, dass der Stellenwert der Frau, gerade in patriarchalischen Gesellschaften, immens verbessert werden muss. Der Tenor beider Redner leitete den Übergang zu meinem Vortrag ein, zu dem ich in meiner Funktion als Nahost-Journalist und Autor eingeladen worden war.
Ergänzend zu den Ausführungen im Rahmen der Religion und der Soziologie ging ich auf die Veränderungen innerhalb patriarchalischer Strukturen ein, die sich seit Jahren, initiiert durch beeindruckende Frauenbewegungen, entwickelt haben und die ich im Zusammenhang mit meinen vielen journalistischen Reisen in den Nahen Osten vor Ort feststellen konnte. Letztendlich ist festzustellen, dass sich im Orient wie auch im Okzident Frauenbewegungen formieren, die in erster Linie in Opposition zu patriarchalischen Strukturen stehen. Dabei ist, zumindest bezogen auf meine persönlichen Erkenntnisse im Nahen Osten, im Kaukasus aber auch in Europa, festzuhalten, dass Religion patriarchalischen oder frauenfeindlichen Strukturen als Korsett dient, um Macht über die Frau, sei es als passive Waffe, als Sexobjekt oder modernen Sklaven, auszuüben.
In Zeiten, in denen immer mehr Frauen politische Ämter bekleiden, unternehmerisch wirken, sich an militärischen Aktivitäten beteiligen und sogar als Verteidigungsministerinnen ganze Armeen zu befehligen haben, ist es unausweichlich, den Stellenwert der Frau in der Gesellschaft endgültig, und dies global, auf die gleiche Ebene der Männer zu stellen.
Da mag es auch Schicksal sein, dass ich, in meiner Funktion als Journalist und im Auftrag eines öffentlich – rechtlichen Fernsehsenders, mich die nächsten Tage in eine Region begebe, in der sich ebenfalls weibliche Strukturen formiert haben, die es sich zum Ziel setzen, die Gestaltung des Militärs, der Politik und der Gesellschaft weiblicher zu machen:
Nordsyrien!
Simon Jacob
Augsburg, den 16.07.2019Buchtipp:
Seit Jahren reist Simon Jacob durch Länder wie Syrien, Irak oder Iran. Als Angehöriger eines wichtigen Clans gelangt er an Orte, die für andere nie zugänglich waren. Dort spricht er mit Menschen, immer auf der Suche: der Suche nach Frieden, auch seinem eigenen Inneren. Seine Reise schildert auch die Schrecken dieser Kriegsgebiete. Aber mehr noch zeigt dieses Buch, dass und wie Friede wirklich möglich ist. Eine Botschaft, die vor allem in diesen Tagen Mut und Hoffnung macht und motiviert, zu kämpfen für eine bessere Zukunft und für etwas, was Simon Jacob ausgerechnet im Irak und in Syrien wiedergefunden hat: Menschlichkeit.
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